Linus' Geschichte
Einsatzort: Riobamba, Ecuador
Einsatzjahr: 2018 / 2019
Ich bin Linus und habe 2018/19 meinen Freiwilligendienst in einem Jugendorchester in Riobamba, Ecuador gemacht. Auf den Bildern sieht man Andres und mich einmal in Konzertkleidung nach meinem letzten Konzert in Ecuador und einmal sechs Jahre später (nicht in Konzertkleidung offensichtlich). Andres war damals der Koordinator des Orchesters und damit mein Chef. Neben dem Proben und Spielen in Konzerten, habe ich auch Instrumentalunterricht gegeben (für Instrumente, die ich gar nicht spielen konnte), Noten digitalisiert, irgendwelche Anträge geschrieben und alles, was sonst noch so angefallen ist. Das Jugendorchester hat die Mission Kindern und Jugendlichen Instrumentalunterricht und Orchesterspiel zu ermöglichen, die sonst aufgrund ihrer sozio-ökonomischen Lage (arm und/oder indigen z.B.) nicht die Möglichkeit hätten ein klassisches Instrument zu erlernen. Manche kamen jeden Tag nach der Schule für drei Stunden vorbei und mussten irgendwie beschäftigt werden am Instrument - das war dann oft genug auch mein Job und so habe ich natürlich auch viele der Kinder und Jugendlichen mit ihren Geschichten kennengelernt.
Mit dem Orchester sind wir auch oft in andere Städte und Dörfer gefahren, um dort Konzerte zu spielen. Das beeindruckendste Konzert war in einem erloschenen Vulkankrater, in dem wir zu einem Feiertag in der indigenen Kichwa-Kultur mit einem Kichwa-Frauenchor zusammen, deren traditionelle Lieder begleitet haben.
Allgemein habe ich in meinem Freiwilligendienst in Ecuador gelernt, was globale Ungleichheiten bedeuten und wie das ganz konkret das Leben meiner Freund*innen im Orchester negativ beeinflusst.
Daraus entstand dann der Wunsch diese Ungleichheiten noch besser zu verstehen und einen Beitrag dazu zu leisten diese abzubauen. Nach dem Bachelor in Philosophie und Sozialwissenschaften, studiere ich nun einen Master in Interdisziplinären Lateinamerikastudien und konnte so nach einem Praktikum in Kolumbien, noch einen Abstecher nach Riobamba machen, um meine Freund*innen und Gastfamilie wiederzusehen.
Andres ist inzwischen nicht mehr der Koordinator des Orchesters, sondern der Dirigent und hat es geschafft das Orchester noch weiter wachsen zu lassen. Zurückzukommen war sehr schön und es war auch schön in einer anderen Rolle wiederzukommen. Nicht mehr als 18-jähriger "nasenweiß" Freiwilliger, der zu Gast in diesem Land und Orchester ist, sondern als jemand Bekanntes, der einen Uniabschluss hat. Jetzt können wir auch über toxische Beziehungen und Weltpolitik reden, was mir als 18 jähriger Freiwilliger eher unangemessen schien mit meinem Chef zu besprechen.
Den Freiwilligendienst und die Leute, die ihn geprägt haben, nicht als Trophäe in den Schrank zu stellen, sondern ihn weiter wirken lassen und sich (und die Leute) weiterverändern lassen und wie im Fall von Andres und mir uns beide weiter wachsen zu sehen, ist was ich den Leser*innen hier mitgeben wollte.
Liebe Grüße und saludos
Linus

Das Bild zeigt Linus in Riobamba (2018 / 2019)
Linus 2024